Outdoorausrüstung und Nachhaltigkeit
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von 31. März 2022

Outdoorausrüstung und Nachhaltigkeit


Outdoorausrüstung und Nachhaltigkeit – Als vor über 100 Jahren die ersten Bergsport- und Naturvereine gegründet wurden, kam eine breite Masse der Gesellschaft in Berührung mit der Natur – und zugleich begann der Mensch, Spuren in den Landschaften zu hinterlassen, die er bereiste. Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen gilt es auch hier, ein ausgewogenes Mittelmaß zu finden. Fernreisen dürfen nicht selbstverständlich sein, sondern ein großes Ereignis. Abenteuer vor der Haustür lassen uns die Natur mit einem wesentlich kleineren CO2-Fußabdruck entdecken. Schutzgebiete müssen als Wildnis ausgewiesen werden und Fauna und Flora eine letzte Rückzugsmöglichkeit bieten.

Heute gibt es kaum noch Gegenden der Erde, die touristisch nicht verwertet werden. Je abgelegener oder unwirtlicher das Gebiet, desto höhere Anforderungen werden an die Ausrüstung gestellt. Die Outdoor-Industrie boomt, und ihre Angebote werden immer ausgefeilter. Hightech-Produkte und -Materialien sorgen für Sicherheit am Berg, Schutz vor der Witterung und leichtes Gepäck auf den Schultern.

Worauf müssen wir bei unserer Outdoor-Ausrüstung achten? Wo verläuft die dünne rote Linie zwischen Kommerz und Nachhaltigkeit? Die Firma VAUDE gilt als Vorbild für nachhaltiges Wirtschaften. Wir fragen die Geschäftsführerin Antje von Dewitz.

Antje von Dewitz


Frau Dewitz, kennen Sie Chile?

Ich war bisher (leider!) noch nie in Chile. Lediglich als Studentin für zwei Monate in Argentinien und Bolivien. Das war ein unglaublich beeindruckendes Erlebnis war, v.a. die Trekkingtour dort.

In Chile haben wir im Verhältnis zu Europa noch viel unberührte Natur. Welche Fehler haben wir in Europa gemacht, die Chile vermeiden sollte?

Aus meiner Sicht ist die Situation nicht direkt vergleichbar, da Europa seit Jahrhunderten sehr dicht besiedelt ist. Damit haben besonders die Alpen einen hohen Siedlungsdruck erfahren, seit über 100 Jahren verstärkt durch Industrie und Tourismus mit entsprechender Infrastruktur  (Straßen, Seilbahnen, Skigebiete, etc. )  Echte Wildnis ist in Mitteleuropa quasi nicht mehr zu finden. Hier kann Chile vielleicht durch die Ausweisung großflächiger Schutzgebiete noch entgegensteuern. Im Hinblick auf die Ausbeutung von Bodenschätzen und den globalen Ressourcenhunger  (Stichwort Kupfer, Lithium) ist das sicher dringend geboten.

VAUDE

Eine Gemeinwohl-Ökonomie funktioniert, ohne dabei die Umwelt aus den Augen zu verlieren. Ist das unsere moralische Verantwortung?

Als Unternehmerin sehe ich es sogar als meine Verpflichtung an, Verantwortung für die Natur, für jetzige und zukünftige Generationen zu übernehmen. Unser bestehendes Wirtschaftssystem ist leider viel zu sehr auf finanzielle Erfolgsfaktoren ausgerichtet, von den internen Management-Anreizen bis hin zur staatlichen Besteuerung. Selbst ein CO2-Preis für Verschmutzungsrechte bewegt sich ja im Rahmen einer kapitalistischen Logik. Wer als Unternehmen nachhaltig Wirtschaften will, hat es wesentlich schwerer und mit erheblichen Nachteilen zu kämpfen.

Die Gemeinwohl-Ökonomie setzt hier ein interessantes Gegenmodell, indem Sie auch ökologische und soziale Faktoren in die Bilanzierung mit einbezieht.  Der gesellschaftliche Beitrag eines Unternehmens wird auch anhand dieser „weichen Faktoren“ bewertet. Für mich ist die GWÖ deshalb ein sehr gutes Instrument, um Unternehmen für ihre soziale Verantwortung zu sensibilisieren, gleichzeitig Handlungsfelder aufzuzeigen und zudem eine transparente Bewertung zu ermöglichen. Als GWÖ-Sprecherin setze ich mich auch für eine stärkere Berücksichtigung des Gemeinwohl-Gedankens auf EU-Ebene ein.

Rohstoffe, Herstellung, Energie, Transport, aber auch Arbeitsbedingungen fließen in Ihre Ausrüstung. Welche Prioritäten setzen Sie in diesen Bereichen in Bezug auf Nachhaltigkeit?

In den letzten Jahren haben wir uns bei VAUDE stark auf die Auswahl umweltfreundlicher Materialien für unser Produkte und soziale Arbeitsbedingungen in der Herstellungsländern konzentriert. Gerade hat uns die Fair Wear erneut den Leader Status bestätigt. An unserem Hauptsitz wurden von Ökostrom, Bio-Kantine bis zum Fuhrparkmanagement schon sehr viele Umweltmaßnahmen umgesetzt. Für das Jahr 2022 haben wir uns nun der Klimaneutralität als oberstes Ziel verschrieben. Alle Emissionen die in der Lieferkette durch Materialherstellung, Fertigung, Transport etc. entstehen werden vollständig kompensiert.Gleichzeitig arbeiten wir in verschiedenen Projekten an einer weiteren Reduktion unseres Footprints, v.a. auf Produktebene.  Denn in der vorgelagerten Lieferkette entstehen die meisten Emissionen. Bis 2024 sollen 90 % der VAUDE Produkte mehrheitlich aus recycelten oder bio-basierten, d.h. nachwachsenden Rohstoffen bestehen.

Bike

Den Fußabdruck so sanft wie möglich zu halten und negative Auswirkungen auszugleichen, sind für die Outdoorindustrie große Herausforderungen. Inwiefern kann die Branche die Welt ein wenig verbessern?

Die globale Textilindustrie ist für rund 10 % der weltweiten klimaschädlichen Emissionen verantwortlich.  Wir sind also ein Teil des Problems – und wollen gleichzeitig als Teil der Lösung dazu beitragen, den Planeten lebenswert zu erhalten. In der Outdoor-Branche existiert vielleicht ein etwas stärkerer Bezug zur Natur und der Umweltschutz-Gedanke ist weit verbreitet. Daher kann sie ist aus meiner Sicht ein Vorreiter für die gesamte Textil- und Fashion-Industrie sein. Auch wenn unser Impact als Firma global gesehen eher gering ist wollen wir mit unserem Engagement Möglichkeiten aufzeigen und damit beweisen, dass man erfolgreich nachhaltig Wirtschaften kann.

In Europa gibt es im Unterschied zu Chile eine Vielzahl an Gütesiegel. Unterstützen diese den Kunden wirklich bei Kaufentscheidungen?

Als wir 2010 unser VAUDE Green Shape Label eingeführt haben, gab es zwar bereits einige Siegel wie Bluesign, Fairwair, GOTS etc.  Für uns war Green Shape aber ein Metasiegel um den Kunden eben nicht zu verwirren mit einer Vielzahl von Logos, sondern um den höchsten Standard zu signalisieren. Also Vereinfachung nach außen. Third-Party Validierung, also die Überprüfung durch unabhängige Stellen, ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Nachhaltigkeits-Philosophie.

Eine gute Orientierung ist heute auf jeden Fall in Deutschland der Grüne Knopf als staatlich überwachtes Siegel, das Umwelt- und Sozialkriterien berücksichtigt. Zudem gibt es im Netz Portale wie Siegelklarheit u.a. die eine schnelle Einordnung ermöglichen. Es ist ähnlich wie bei Bio-Lebensmitteln. Wenn man etwas genauer hinschaut, kann man die Spreu vom Weizen trennen, und verlässliche Zertifikate ausmachen.

Welche Anforderungen stellen Sie an Ihre Produkte in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Für Sommer 2022 haben wir unsere Green Shape Kriterien nochmal überarbeitet und verschärft. Ein Green Shape Produkt muss z.B. jetzt mindestens zur Hälfte aus recycelten oder bio-basierten Materialien bestehen. Umweltschädliche Chemikalien wie PFCs  (Fluorcarbone in Membranen und wasserabweisender Ausrüstung)  sind natürlich tabu. Wir betrachten den Produkt-Footprint ganzheitlich, sozusagen von der Wiege bis zum Lebensende.  Bereits im Design der Produkte setzen wir hohe Kriterien an Qualität und Langlebigkeit und achten auf Materialeffizienz und Recycling-Fähigkeit, sowie auf eine gute Reparierbarkeit.

Glauben Sie, dass Recycling und Reparaturservice auch in Chile wichtige Kaufargumente wären?

Mit Sicherheit, die Problematiken sind ja weltweit gleich. Wenn ich Bilder von riesigen Textildeponien in Chile sehe, dann sind das sogar sehr handfeste Argumente.  Es wird leider immer noch viel zu viel Bekleidung weggeschmissen. Jedoch muss man auch sagen, dass bislang leider kein funktionierendes Rücknahme- und Verwertungssystem für ein geschlossenes Textil-Recycling besteht, auch nicht in Deutschland. Bei der Entwicklung neuer Produkte achten wir sehr auf Reparierbarkeit und Circular Design, und geben im Netz Tipps für Pflege und Reparatur-Videos. Die Repair Cafes sind auf jeden Fall ein guter Anlaufpunkt, falls man mal nicht das passende Ersatzteil bekommt.

In Chile gibt es kaum Zeitschriften, wenig Informationen zu den Produkten, und die Beratung in den Outdoorläden könnte oft besser sein. Wie wollen Sie die Kunden erreichen?

Chile ist für uns nur ein kleiner, wenn auch sehr wichtiger Export-Markt. Es gibt ja, dank euch, auch viele Trekking-Touristen. 😊  Unseren Händlern bieten wir ein umfangreiches Marketing- und Schulungspaket, von Info-Material im Laden bis zu Online-Tutorials zu unseren Produkten.  Wir arbeiten gerade daran, unseren in Deutschland sehr erfolgreichen Green Shape Campus zu CSR-Themen auch als digitale Schulungsplattform auszuweiten. Und dann gibt es natürlich auf YouTube sehr viele, informative Videos.  Dank Internet sind die meisten Informationen heute ja nur einen Klick entfernt.

Schließlich möchten wir natürlich wissen, wo wir hier in Chile VAUDE-Produkte kaufen können.

Unser Vertriebspartner Limite Sur bietet zahlreiche Verkaufspunkte und ein recht umfangreiches VAUDE Sortiment, speziell für Zelte und Rucksäcke.