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von 10. März 2021

Alpenverein OEAV in Chile


Alpenverein OEAV in Chile – Der OEAV wurde bereits 1862 gegründet. Das Ziel war schon damals den Leuten die Natur näher zu bringen, Wege anzulegen, Bergführer ausbilden sowie Karten und Handbücher zu erstellen. Heute hat der OEAV in so einem kleinen Land wie Österreich fast 600 000 Mitglieder, führt 232 Berghütten und pflegt 26 000 km an Wanderwegen. Eine unglaubliche Geschichte von über 150 Jahren und eine unglaubliche Leistung. Wir wollen von Peter Kapelari wissen, wie man wenigstens Teilweise diese wertvollen Erfahrungen in Chile verwerten und vielleicht sogar anwenden kann.

DI Peter Kapelari

Abteilungsleiter für Hütten, Wege und Kartographie, zudem Leiter des Bergwaldprojektes.


Der OEAV begann in den ersten Jahren seiner Geschichte mit Vorträgen und Publikationen. Erst in Folge widmete man sich praktischer Tätigkeiten. Wäre das auch für ein Land wie Chile ein erster Schritt?

Die Zeiten und Medien haben sich grundlegend geändert, Vorträge und Publikationen zur Weckung des Bedarfes oder zur Wissensvermittlung braucht es heute sicher weniger, als die tatsächliche Schaffung von Infrastrukturen wie Wege oder Hütten. Wesentlich erscheint mir die Organisation des Rettungswesens, denn das ist für Wanderurlauber essenziell!

Werden die 232 Hütten von Mitarbeitern des OEAV betreut oder verpachtet?

Die Hütten werden von den rechtlich eigenständigen Sektionen (Zweigvereinen) an selbständige Unternehmer*innen verpachtet. Diese verkaufen Speisen und Getränke im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, die Nächtigungen im Namen und auf Rechnung der Sektion.

Wie schafft man es 26 000 km zu pflegen?

Die Wege werden Großteils von Ehrenamtlichen betreut, markiert und gepflegt. Diese holen sich wiederum Unterstützung bei Freunden und in der Familie. Nur in Einzelfällen gibt es auch Profi-Wegearbeiter, die dann von der Sektion angestellt sind und oft auch Werge im Auftrag anderer Institutionen (Gemeinden, Nationalparke, Nachbarsektionen) arbeiten.

In Chile haben wir eine unglaubliche Anzahl an unabhängigen kleinen Vereinen, leider ohne nennenswerte Zusammenarbeit. Der OEAV hat als Alpenverein in Österreich eine eine Monopolstellung und kann auch große Projekte durchführen. Welchen Weg sollten wir in Chile einschlagen?

Der Alpenverein hat den Vorteil, gegründet worden zu sein wo der Bergtourismus erst begonnen hatte. Es war dies die Zeit der industriellen Revolution und der Landflucht, in der der Bedarf nach Freizeit und Erholung in der Natur geboren wurde. Was aber das Erfolgsgeheimnis sein dürfte, ist die Organisation in regionalen, eigenständigen Sektionen. So könnte es vielleicht gelingen, auch etliche der kleinen Vereine in Chile in einen „Dachverband“ zusammen zu schließen, der die sinnvollen Aufgaben zentral besser zu lösen vermag. (?) Sicher eine schwierige Aufgabe – aber letztlich für alle sinnvoll.

Die 600 000 Mitglieder des OEAV zahlen eine jährliche Mitgliedschaft, was beinhaltet diese und kann sich dieser riesige Verein damit komplett finanzieren?

Der Mitgliedsbeitrag von € 62 beinhaltet eine sehr gute Versicherung. Der Beitrag dafür ist ca. € 9,-  und wird vorab vom Beitrag abgezogen. Den Rest teilen sich Hauptverein und Sektionen für die Arbeit und Projekte. Der Verein lukriert aber auch öffentliche Förderungen, Teilnahmegebühren, Senden und Sponsoringbeiträge und Verkaufserlöse. Die Wichtigste Einnahmequelle sind aber die Mitgliederbeiträge.

Die Mitglieder des OEAV sind automatisch versichert, was beinhaltet diese Versicherung?

Die Versicherung inkludiert Bergekosten, Haftpflichtkosten, Rechtschutz, Krankheitskosten auf Reisen und Rückholkosten.

Der OEAV wird von 25 000 freiwilligen Mitarbeitern unterstützt. Welche Aufgaben werden von ihnen ausgeführt?

Da ist die ganze Vorstandstätigkeit (Vorsitzende, Schriftführer, Kassiere, …) und dann die themenspezifischen Funktionen: Jugendleiter, Alpinwarte, Wegewarte, Hüttenwarte, Seniorenbeauftragte, …

Der OEAV bietet geführte Touren an welche von selbst ausgebildeten Guides durchgeführt werden. Ist er damit Konkurrenz zu privaten Bergsportagenturen?

Ja und nein. Wir wollen die Leute, die in die Berge gehen kompetent machen – was die Sicherheit und die Naturverträglichkeit betrifft. Wir bieten den Rahmen für kameradschaftliche Gemeinschaftsunternehmungen und wollen nicht „Pauschalreisen“ veranstalten. Natürlich kann ich vieles auch bei – meist wesentlich teureren – Bergschulen erlernen und erleben. Aber letztlich profitieren diese auch davon, wenn der Alpenverein Menschen erst auf die Idee bringt.

In Chile haben wir außerhalb der Naturschutzgebiete kaum ausgeschilderte Wanderwege. Ist es im digitalen Zeitalter mit einer Vielzahl an Apps und guten Wanderkarten noch von Nöten die Wege mit Schildern auszuweisen?

Ja – die App ist wertlos, wenn der Akku leer ist oder Gerät auf den Boden gekracht ist. Und es gibt doch noch viele, die gerade in der Bergnatur gerne auf die digitale Welt verzichten wollen.

Bergwanderer und Mitglieder können in Österreich in Berghütten übernachten. Waren Campingplätze nie eine ernsthafte Alternative?

Nein – aber es gibt auch die „Vertragshäuser“, private Partnerbetriebe die für Mitglieder Vorteile bieten. Ein Campingplatz kann im Gebirge nicht den Schutzbieten wie eine Schutzhütte. Vielleicht kommt aber in Zeiten von Corona der Bedarf nach „Camp-Areas“ (?).

Die Stiftung Trekkingchile hat ihr eigenes Naturschutzgebiet, den über 2000 ha großen Naturpark Quizapu. Können wir etwas mehr über Euer Bergwaldprojekt erfahren?

Der Österreichische Alpenverein bietet mit dem „Bergwaldprojekt des Alpenvereins“ Freiwilligen seit 2001 jeweils die Gelegenheit, – in enger Zusammenarbeit mit den Waldbesitzern, Bauern, mit Fachleuten der Landesforstdienste, der Bezirksforst-inspektionen, der Wildbach- und Lawinenverbauung –  verschiedenste Maßnahmen umzusetzen, welche die Naturnähe, Stabilität und Vitalität des Bergwaldes verbessern. Auch die Erhaltung von Almen, welche von Auflassung bedroht sind, ist eine wichtige Zielsetzung. Diese Umweltprojekte finden bei den Teilnehmern, aber auch in der landwirtschaftlichen und forstlichen Öffentlichkeit und bei vielen Waldbesitzern große Aufmerksamkeit.

Die Projekte verfolgen vier wesentliche Ziele:

1. Konkrete Probleme im Bergwald (und auf den Almen) durch praktische Arbeit beheben;

2. Die Öffentlichkeit durch breite Berichterstattung für die jeweilige Problematik sensibilisieren;

3. Zu den Partnern und Betroffenen (z.B. Forstbehörden, Bergbauern, Grundbesitzer, Jäger) ein; positives Verhältnis aufbauen und das gegenseitige Verständnis fördern

4. Den Teilnehmern eine praktische Erfahrung und einen tieferen Einblick in die ökologischen Zusammenhänge ermöglichen.

Bergwald wird Begegnungsor

Die Teilnehmer wollen sich nach eigenen Angaben beim Wald und bei seinen Bewirtschaftern mit ihrem Einsatz für die Leistungen bedanken und klarmachen, dass die Bergnatur für sie mehr ist als Kulisse oder Sportplatz. Der Bergwald wird Begegnungsort für verschiedenste Menschen- und Interessengruppen. Seit 2003 werden auch Behinderte integriert. Ein wichtiges Motiv der Teilnehmer ist aber eben auch das Lernen vom und über den Bergwald!

Waldpädagogik

Zur erfolgreichen Vermittlung der ökologischen – aber auch der sozioökonomischen – Zusammenhänge im Bergwald bedienen wir uns von Anbeginn an der Methode der Waldpädagogik! Besonders spannend dabei: Wir arbeiten hauptsächlich mit Erwachsenen. Sie sind oft den Methoden und Spielen gegenüber überaus skeptische (Fach-)Leute. Und es funktioniert trotzdem erstaunlich gut!

Projektwochen in ganz Österreich

Langfristiges Ziel war in der Anfangsphase (2001), jährlich ca. zehn Projektwochen in ganz Österreich anzubieten. Fünf Projekte waren es 2002, 13 Projektwochen mit 230 Teilnehmern fanden aber schon 2005 in der Zeit von Mitte Mai bis Anfang September statt! Ab 2014 sind es nun schon 20 Wochen – an 20 verschiedenen Einsatzorten, verteilt über ganz Österreich – in allen Bundesländern mit Bergwald – und sie sind in kürzester Zeit ausgebucht! 

Den Alpenvereins-Sektionen bietet sich mit dem Projekt die Möglichkeit, in ihren Arbeitsgebieten als hilfreicher und verständnisvoller Partner aufzutreten, Kontakte herzustellen oder zu pflegen, die dann vielleicht auch die Grundlage für die konstruktive Lösung von Konflikten darstellen können.

P.U.L.S.-Projekt

Der mediale Erfolg dieser Aktion im Bergwald ist dem P.U.L.S.-Projekt (Praxis. Umwelt. Leben. Sommer) zu verdanken, welches die Alpenvereinsjugend bei ihren Umweltbaustellen entwickelt hat. Dabei werden junge Leute zu „Medienprofis mit Diplom“ ausgebildet. Junge Erwachsene machen am Projekt mit und übernehmen zusätzlich gleich noch im Rahmen eines Praktikums die Pressearbeit oder eine Dokumentation. Dafür erhalten sie ein Zertifikat des Umweltministeriums, das sie z.B. bei Bewerbungen vorlegen können. Das Erstaunliche dabei: Die P.U.L.S. Praktikanten erreichen eine äußerst breite Berichterstattung in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Damit gewinnen alle Beteiligten – die Partner des Alpenvereins und er selbst durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit (Imageverbesserung + Werbewirkung), die Projektmitarbeiter durch eine zusätzliche Motivation und schließlich die P.U.L.S.- Praktikanten durch ihre Ausbildung, Erfahrung und ein staatliches Zertifikat.

Kosten

Ein derartiges Projekt kostet natürlich Geld. Ein Teil der direkt der einzelnen Projektwoche zurechenbaren Kosten kann dabei über die forstlichen und agrarischen Fördermittel (EU, Bund, Länder) abgerechnet werden, teilweise kommen die jeweiligen Waldbesitzer für direkte Kosten auf. Die gesamten Overhead-Kosten und die fehlenden Mittel bei den einzelnen Projektwochen hat der Alpenverein aufzubringen. Hierfür ist der Alpenverein auch auf Projektpartner aus der Wirtschaft angewiesen: Die Werner & Merz Holding GmbH Hallein (Marke Frosch) unterstützt das Projekt finanziell. Suzuki Österreich unterstützt den Alpenverein bei der Umsetzung der Projekte mit der Bereitstellung einiger Transportfahrzeuge.